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Interview: Wagner-Wahn in Hamburg

Wie bringt man Menschen in die Oper, die sich nicht für Oper interessieren? Die Agentur Karl Anders entwarf eine Kampagne für die Staatsoper Hamburg, die auf starke Worte und ungewöhnliche Aktionen setzt. Wir sprachen mit Geschäftsführerin Claudia Fischer-Appelt über den Wagner-Wahn.

Bild Wagner-Wahn

Wie bringt man Menschen in die Oper, die sich nicht für Oper interessieren? Die Agentur Karl Anders entwarf eine Kampagne für die Staatsoper Hamburg, die auf starke Worte und ungewöhnliche Aktionen setzt. Wir sprachen mit Geschäftsführerin Claudia Fischer-Appelt über den Wagner-Wahn.



Im kommenden Jahr zelebriert die Staatsoper Hamburg den 200. Geburtstag von Richard Wagner mit einem geradezu wahnsinnigen Vorhaben: In nur drei Wochen will sie 10 verschiedene Opern von Wagner auf die Bühne bringen. Die Kampagne zu dieser Aktion entwickelte die Hamburger Agentur Karl Anders: Unter dem Motto »Wagner-Wahn« gestaltete das kreative Team um Geschäftsführerin Claudia Fischer-Appelt Anzeigen, Plakate, Guerilla-Maßnahmen, Social Media- und andere Aktionen – wie zum Beispiel die »Wahn-Card 200«, eine Abo-Karte für alle zehn Inszenierungen als Maßnahme zur Kundenbindung. Im Zentrum aller Elemente der Kampagne steht die Sprache des Komponisten, in Form einzelner Wörter aus seinen Werken.

Wir sprachen mit Claudia Fischer-Appelt über das ungewöhnliche Design-Konzept.

Claudia Fischer-Appelt

PAGE: Wieso haben Sie sich entschlossen, bei der Kampagne »Wagner-Wahn« gestalterisch ganz auf Typografie zu setzen?

Claudia  Fischer-Appelt: Wir wollten auf jeden Fall etwas Urtypisches von Wagner zeigen. Da Musik wegen des Mediums Print nicht möglich war, haben wir auf seine verrückten und genialen Librettos gesetzt. Seine Sprache ist einfach unverkennbar und stilprägend. Es war wichtig, Außenstehenden zu zeigen, wie schräg und vielfältig Wagner ist.
Und uns ging es natürlich auch um Aufmerksamkeit. Die Inszenierung der Wörter in dieser wahnsinnigen Typografie fallen auf. Und das ist unser Ziel. Bilder aus den Inszenierungen setzen wir nur als kleine Zitate ein.

Und wieso dominieren gerade die Farben Schwarz und Gelb?

Welche Farbe passt zum Wahn oder ist wahnsinnig? Da mussten wir nicht lange überlegen – das ist eindeutig das Gelb! Eine sehr ambivalente Farbe, sowohl positiv (Sonne, Gold, Erleuchtung …) als auch negativ (Neid, Gift, Eifersucht) besetzt. Gelb symbolisiert aus unserer Sicht den Wahnsinn am besten.
Um einen möglichst starken Kontrast zu erzielen und die feierliche Atmosphäre eines Opernbesuchs aufzugreifen war Schwarz die logische Ergänzung.

Bitte erläutern Sie Ihr Designkonzept für die Kampagne im Ganzen – welche Rolle spielt die Sprache Wagners?

Wir haben den »Wagner-Wahn« zum Konzept gemacht. Da die Staatsoper erstmalig ein so verrücktes Unterfangen auf die Bühne bringt, wollten wir es kommunikativ maximal ausnutzen.
Es ging dabei vor allem darum, die »Nicht-Wagnerianer« in die Oper zu locken – die Wagner-Fans kommen sowieso. Wir wollten den Kult-Charakter von Wagner herausarbeiten. Die Sprache erschien uns da ein geeignetes Mittel um für den Wagner-Wahn zu werben. Die wenigsten wissen ja worum es eigentlich in seinen Opern geht. Wagner als Erfinder und Wegbereiter des Musikdramas hat wirklich abgefahrene Themen und Geschichten. Mit diesen Wörtern kann sich jeder im Kopf seine eigenen Bilder selbst zusammenbauen.

Wie haben Sie die Wörter für die Elemente der Kampagne ausgewählt?

Die Wagnerianer können die Texte auswendig. Simone Young, die Intendantin, z.B. konnte uns genau sagen, welches Wort bei Wagner vorkommt und welches nicht. Wir glauben, dass Involvieren ein guter Motor für einen Entwicklungsprozess ist und bei richtiger Steuerung zu einem tollen Ergebnis führt.
So haben wir Marketing, PR, Dramaturgie, künstlerische Leitung und Künstler in die Auswahl mit einbezogen. Jeder konnte seine ganz typischen Wagner-Wahn-Wörter einbringen. Ganz nebenbei entstand ein interessanter Dialog zum Wahn.

Welche Elemente umfasst »Wagner-Wahn«?

Die Kampagne umfasst bisher City-Lights, 18/1, Anzeigen, die Wahn-Card, Broschüren, Postkarten und Einladungskarten. Im Herbst startet dann die Guerilla-Kampagne. Unter dem Motto Wagner-Wahn wollen wir vor allem Medien und Mittel einsetzen, die für die Oper eher untypisch sind. Ein Beispiel ist der »Rettungs-Wagner«, ein Krankenwagen-ähnliches Gefährt, das besondere Gäste zur Oper und nach dem 5-stündigen Opernbesuch wieder nach Hause fahren wird. Social Media ist ebenfalls ein Kanal, den wir bespielen wollen, um noch mehr Menschen mit dem Wahn zu infizieren.

In wie weit haben Sie bei der Entwicklung der Kampagne mit den Theatermachern zusammen gearbeitet?

Wir haben die Kampagne in enger Abstimmung mit einem kleinen Arbeitskreis, bestehend aus Akteuren der Oper, entwickelt. Als die Grundpfeiler feststanden, haben wir mehr und mehr Opernmitarbeiter involviert. Großartig war der uns eingeräumte Freiraum und die Möglichkeit die üblichen, konservativen Pfade verlassen zu können. 

Die integrierte Kampagne startet im Herbst dieses Jahres, wobei die »Wahn-Card 200« den Anfang machen wird.

Plakat zum »Wagner-Wahn 2013«
Bild: Karl Anders
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Plakat zum »Wagner-Wahn 2013«
Bild: Karl Anders
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Die »Wahn-Card«
Bild: Karl Anders
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Die »Wahn-Card« von vorne
Bild: Karl Anders
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Die »Wahn-Card« von hinten
Bild: Karl Anders
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. “ein Krankenwagen-ähnliches Gefährt, das besondere Gäste zur Oper und nach dem 5-stündigen Opernbesuch wieder nach Hause fahren wird.” Da bin ich aber auf den Sirenenton gespannt 🙂

  2. Hier werden Maßstäbe gesetzt…

  3. Des is ja jetzt der Woasinn! Mei!

  4. Ist ja super, wenn man auf diesem Weg der Promotion auch hier viel auch noch Designer/ Werber und andere Promoter in die Oper schafft.
    Frau Fischer-Appelt kann einfach a la bonheur kommunizieren! Soo ein geniales Konzept!!!- Nei!

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