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Stockokalypse now (AGD)

Von den Auswirkungen der Internet-Bildagenturen auf Fotografen und Designer: Andreas Maxbauer, Referent bei der Allianz Deutscher Designer (AGD), erklärt die Mechanismen des Stockfotomarkts, wie er die Bildsprache zerstört – und was das für Profifotografen bedeutet.

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Die Bilderflut des Stockfotomarkts wirkt sich verheerend auf die Auftragslage von Profifotografen aus. Ein heißes Thema am Beratungstelefon der Allianz Deutscher Designer (AGD), dem Andreas Maxbauer auf den Grund geht.

Gilt der Satz, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt, leben wir in einer Zeit unendlichen Geschwätzes – der Bedarf an Bildern wächst und wächst. Das liegt zum einen am Bilderhunger der Medien und des Internets, denn kaum ein kommerzielles oder privates Angebot kommt ohne Fotos oder Illustrationen aus. Stutzig macht jedoch, dass trotz der Bilderflut immer mehr Fotodesigner und Berufsfotografen wirtschaftliche Probleme bekommen.

Ein Großteil des »täglichen Bedarfs« wird über Bilddatenbanken gedeckt, den Stockfoto-Services, von denen hierzulande etwa zehn den Markt unter sich aufteilen. Sie bieten Fotomaterial zu allen Themen an, das Sortiment wird ergänzt durch Illustrationen und Vektorgrafiken, teilweise auch kurzen Videos und Animationen. Trotz des Bilderhungers haben kurioserweise besonders die mit preiswerten Bildern handelnden Microstock-Agenturen das Problem eines Überangebotes. Wer zum Beispiel bei Fotolia nach einem »Weihnachtsmann« sucht, darf unter 282.292 Bilder wählen. Die Übersättigung durch solche ähnlichen, aussagefreien Symbolfotos führt zur Unübersichtlichkeit, so dass für einige Kategorien keine Bilder mehr angenommen werden.

Nicht wenige Händler versuchen, ihre Positionen im scharfen Wettbewerb durch niedrige Verkaufspreise zu festigen, besonders durch Flatrates für Großabnehmer wie Verlage: Hier sinken die ohnehin geringen Preise oft nochmals um zirka 40 Prozent. Der andere Preisdrücker sind ambitionierte Hobbyfotografen, die im Nebenberuf gezielt für Stockagenturen fotografieren und weitere Bildüberschüsse produzieren. Auch wenn sie finanziell genügsamer sind, bieten sie der niedrigen Erlöse wegen – die Stockagentur reicht etwa 50 Prozent weiter – die gleichen Bilder bei mehreren Dienstleistern an, die Unübersichtlichkeit nimmt dadurch weiter zu. Die Stockservices reagieren mit verstärkten Eingangskontrollen bezüglich Aufnahmequalität, Verkaufsfähigkeit und Rechtesituation – Qualität aus Notwehr sozusagen.

Alle diese Kriterien zusammengefasst, machen es für nebenberufliche Fotografen insgesamt schwieriger, mit Stockagenturen ins Geschäft zu kommen. Für Berufsfotografen und Fotodesigner dürfte sich das Geschäft in der Regel ohnehin kaum lohnen. Einerseits verkaufen sich ihre Aufnahmen in der Tat deutlich besser als die von Amateuren – gelernt ist eben gelernt. Andererseits nutzen die gestiegenen Qualitätsansprüche nichts, wenn die erzielbaren Erlöse bei den zu geringen Bildpreisen kaum attraktiv sind. Fotodesigner haben ein Studio, kostenintensive Fotoausrüstungen, professionelle Hard- und Software sowie teure Weiterbildungen zu finanzieren – Ausgaben, die sich durch Stockfotografie nicht decken lassen. Auch die Vorstellung, dass sich Restbestände von Auftragsarbeiten versilbern lassen, ist unrealistisch, denn bei kaum einem Auftrag dürften Bilder anfallen, die losgelöst vom Motiv und Kunden veräußerbar sind.

Das Hauptproblem für Profifotografen ist jedoch, dass zunehmend lukrative Fotoaufträge entfallen, weil sich ihre Auftraggeber immer mehr der Microstock-Dienste bedienen. Das ist schneller, bequemer und vor allem billiger. Da ist es ihnen egal, dass Designer nach langer Bildsuche mit Kompromissfotos arbeiten müssen, weil die Feierabend-Fotografen des besseren Verkaufs wegen möglichst »neutrale« Bilder ins Netz stellen. Genau das sieht man den Medien an: Ihre Bildsprache wird aussagefreier und im Design austauschbarer – profilloser eben. Der Verlust der eigenen visuellen Kultur ist schnell und billig zu haben – viel zu billig.

 

Hier finden Sie alle bisherigen Teile unserer Berufspraxis-Kolumne 

Produkt: PAGE 5.2019
PAGE 5.2019
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